Im Wege der Insolvenzanfechtung kann der Insolvenzverwalter unter Umständen abgeflossenes Vermögen zurückfordern. Das hat ohnehin enge rechtliche Grenzen, und der Bundesgerichtshof hat jetzt in seiner Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung die Anforderungen an dieses Instrument erhöht.

Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht Mark Steh, Inhaber von hammes. Insolvenzverwalter

Mit der Insolvenzanfechtung hat der Gesetzgeber ein Rechtsinstitut geschaffen, um Insolvenzverwaltern zu ermöglichen, Vermögensverschiebungen, die der Schuldner im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zugunsten einzelner Gläubiger oder Nicht-Gläubiger vornimmt, im Interesse der Gläubigergemeinschaft rückgängig zu machen. Es ist eine Möglichkeit, die Insolvenzmasse über die Anfechtung zuvor geleisteter Zahlungen zu mehren und in der Insolvenzordnung (InsO) geregelt. „Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO anfechten.“ Die anzufechtende Handlung muss zu einer Benachteiligung der Gläubigergemeinschaft führen. Als anfechtbare Rechtshandlung im Sinne der Insolvenzordnung gilt jedes Verhalten, an das eine Rechtswirkung geknüpft ist. Ebenfalls angegriffen werden können bewusste Unterlassungen des Schuldners, etwa die Ablehnung eines Erwerbs und die Nichtunterbrechung einer Verjährungsfrist.

Schwieriger geworden, über Anfechtungsansprüche die Insolvenzmasse zu vergrößern

2017 wurde das Insolvenzanfechtungsrecht reformiert. Ziel war es, Unternehmen besser vor scheinbar „ungerechtfertigten“ Rückforderungen eines Insolvenzverwalters zu schützen, und zudem sollte geregelt werden, dass die Arbeitnehmer eines insolventen Unternehmens ausgezahlte Löhne im Regelfall behalten dürfen. Generell ist die Insolvenzanfechtung erhalten geblieben, um dmn Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch hinsichtlich bestimmter, vor Insolvenzeröffnung erfolgter Rechtshandlungen Geltung zu verschaffen. Aber die Vorschriften und auch deren Auslegung sind enger geworden, sodass es schwieriger für Insolvenzpraktiker geworden ist, durch Anfechtungsansprüche die Insolvenzmasse zu vergrößern.

Das hat nun eine weitere Verschärfung erfahren. Durch die Änderung der Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung des Bundesgerichtshofs (u.a. Urteil vom vom 6. Mai 2021, Az.: IX ZR 72/20) wird die Anfechtung für Insolvenzverwalter nochmals erschwert. Das bezieht sich auf „Vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung“ gemäß § 133 InsO: „Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.“

Nur drohende Zahlungsunfähigkeit kein ausreichendes Indiz für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz

Schon 2017 wurde der Zeitraum der Vorsatzanfechtung für die meisten Fallkonstellationen von zehn auf vier Jahre reduziert. In dem Urteil vom 6. Mai 2021 hatte der BGH vor allem die Voraussetzungen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners nochmals erhöht, wodurch sich automatisch auch die Anforderungen für die Annahme einer Kenntnis des Anfechtungsgegners von einem solchen Vorsatz veränderten. Schloss man zuvor von der Kenntnis einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit automatisch auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, soll diese Kenntnis zukünftig nur noch ein Indiz für den Vorsatz begründen. Außerdem schränkte der BGH die Wirkungen einer nur drohenden Zahlungsunfähigkeit ein. Diese allein sei kein ausreichendes Indiz für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Es bedürfe weiterer Indizien, damit Leistungen bei erkannter drohender Zahlungsunfähigkeit über § 133 InsO angefochten werden könnten.

Gläubigerbenachteiligungsvorsatz wird eng gefasst

Im Urteil heißt es: „Die Annahme der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erkanntermaßen zahlungsunfähig ist. Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners setzt im Falle der erkannten Zahlungsunfähigkeit zusätzlich voraus, dass der Schuldner im maßgeblichen Zeitpunkt wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht vollständig befriedigen zu können; dies richtet sich nach den ihm bekannten objektiven Umständen.“

Der BGH hat mit dem Urteil eine Richtungsänderung angestoßen. Gleich drei Urteile, eines vom 10. Februar 2022 (IX ZR 148/19) und zwei vom 3. März 2022 (IX ZR 78/20 und IX ZR 53/19), nehmen ausdrücklich Bezug auf die Entscheidung vom 6. Mai 2021. Sie enthalten Hinweise auf den zukünftigen Weg des BGH. Unter anderen nimmt ein Urteil Bezug auf erfolglose Sanierungsbemühungen, die auch nicht mehr ohne Weiteres haftungsbegründend sein können: „Unternimmt der Schuldner einen Sanierungsversuch, hat der Insolvenzverwalter für den Benachteiligungsvorsatz darzulegen und zu beweisen, dass dieser Sanierungsversuch untauglich war und der Schuldner dies erkannt oder billigend in Kauf genommen hat.“

Weniger Angst vor Haftung bei gescheiterter Sanierung im Regelinsolvenzverfahren

Für Gläubiger ist dies nachteilig, weil die Masse nur noch in immer enger werdenden Grenzen über die Anfechtung gemehrt werden kann. Auf der anderen Seite senkt die neue Rechtsprechung die Hürden für Geschäftsführer und Gesellschafter, eine zukunftsorientierte Sanierung in Form eines Regelinsolvenzverfahrens anzustreben und die Möglichkeiten und den Schutz der Insolvenzordnung zu nutzen. Die an der Sanierung beteiligten müssen sich deutlich weniger Sorgen um Anfechtungen machen, wenn es sich nicht um aussichtlose oder ungeeignete Sanierungsversuche handelt. Eine Sanierung in einem Insolvenzverfahren unter einem erfahrenen Insolvenzverwalter wird für alle Beteiligten unter Anfechtungsgesichtspunkten risikolos sein.